Leichen im Keller des türkischen Nationalstaats:
m Jahr 1937 wurde die Bevölkerung von Dersim Ziel der staatlichen Vernichtungspolitik der jungen kemalistischen Republik.
Aus: akweb.de, Verlag für Analyse, Kritik und Information GmbH
2020
Nr. 665. 17
Die Politik des türkischen Staates durch Vernichtung und Vertreibung „unerwünschter“ Bevölkerungsgruppen eine ethnisch homogene Nation zu schaffen hält bis heute an. Aber ebenso konstant bleibt die Tatsache, dass die Kurd_innen weiterhin das Haupthindernis für dieses Staatsprojektes sind. Während gegenwärtig diese Staatspolitik sich in Form eines Krieges seit 2015 in den kurdischen Gebiete der Türkei und zahlreichen militärischen Angriffen auf kurdische Akteur*innen im gesamten Nahen und Mittleren Osten zeigt, wird durch ein Blick in die Geschichte der Republik Türkei sichtbar, dass massenweise Tötungen von Zivilist_innen ein untrennbarer Teil dieser Staatspolitik war und ist. Die Militäroperationen in der Dersim-Region zwischen 1937 und 1938 sind das bekannteste und öffentlich am intensivsten debattierte Beispiel für diese staatlichen Vernichtungsmaßnahmen. Während die staatliche Geschichtsschreibung von einem Aufstand, der dann niedergeschlagen wurde, spricht, betont die Gegenposition die langjährige staatliche Planung für die Militäroperation und das Fehlen eines tatsächlichen Aufstandes und spricht von Massakern oder gar von einem Genozid. Aber insgesamt ist Dersim 1937-1938 weder historisch aufgearbeitet, noch kann in einer angemessenen Weise an die Opfer erinnert werden – und für beide Probleme ist an erster Stelle der türkische Staat verantwortlich.