Kulturkampf um die Erinnerung
Der Kolonialismus und die Shoa
BR2 Nachtstudio
2022
53:59min
Sendetermin 22.11.2022, 20:05
Mit Yehuda Bauer, Laura Cazes, Raphael Gross, Deborah Hartmann, Lars Rensmann, Sybille Steinbacher, Nora Sternfeld und Natan Sznaider.
Seit Monaten gibt es Streit in Deutschland: Ist die Shoah singulär? Darf sie mit anderen Genoziden verglichen werden? Dabei betonen alle Seiten, die historischen Fakten und Einzigartigkeiten anzuerkennen. Aber trotzdem zeigt das Beispiel Documenta, dass es eine Konkurrenz um Sichtbarkeit und Deutungshoheit zwischen der Erinnerung an die Shoah und der Erinnerung an die Kolonialverbrechen gibt.
Die Aufarbeitung in Deutschland wurde gegen das Bedürfnis der Mehrheitsgesellschaft nach Verdrängung und Relativierung der NS-Geschichte erkämpft. Heute wird die Erinnerungskultur von der Mehrheitsgesellschaft weitgehend angenommen, man ist sogar stolz auf sie. Liegt hier eventuell eine Selbstüberhöhung und wie verträgt sich die mit Schlussstrichforderungen, die sich in sich in nahezu allen Milieus finden? Auch im Umfeld der postkolonialen Theorie behaupten einige, es gäbe eine Überbetonung der Shoah. Dies führe dazu, dass andere Menschheitsverbrechen aus dem Blick geraten: vor allem die deutschen Kolonialverbrechen. Nicht selten wird hier die Shoah zu einem Teil kolonialistischer Gewaltgeschichte erklärt. Viele Historiker und Historikerinnen werten das als eine Relativierung der Shoah.
Der Beitrag bringt wissenschaftliche und persönliche Perspektiven zusammen, ohne die der Streit um die Erinnerung nicht geführt werden kann. Hat Deutschland wirklich seine Geschichte aufgearbeitet? Oder nutzt es die Behauptung einer weltweit vorbildlichen Aufarbeitung gar dazu, um endlich mit der Debatte um Schuld und Verstrickung aufhören zu können?