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Man muss dagegenhalten

Interview von Kito Nedo (art 11/2018)

Es gilt in der zeitgenössischen Kunst als angesagt, mit politischen Themen zu arbeiten. Doch sich selbst und seine Weltverbundenheit unterzieht der Kunstbetrieb dabei selten einer fundierten Kritik. Angesichts des aktuellen gesellschaftlichen Rechtsrucks stellt sich aber die Frage, wie wirksam rechte Diskurse auch in der Kunstwelt sind. Die Berliner Künstler Fabian Bechtle und Leon Kahane, die sich in ihren eigenen Arbeiten mit Globalisierung, Repräsentation von Zeitgeschichte oder auch politischer Ideologiebildung beschäftigen, haben eine Diskursplattform gegründet, auf der sie unangenehme Fragen stellen.

art:

Sie haben das »Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst« ins Leben gerufen. Warum?

Fabian Bechtle / Leon Kahane:

Uns geht es darum, die Kunst und ihre eigenen Diskurse mit den drängenden gesellschaftlichen Debatten zu konfrontieren. Je länger man versucht, sich dem zu entziehen, wird diese Lücke von anderen gefüllt, zum Beispiel mit kulturpessimistischen Narrativen. Und entlang dieser bilden sich auch verstärkt künstlerische beziehungsweise ästhetische und politische Querfronten. Dabei geht es zum Beispiel um antimoderne Tendenzen und Traditionalismen. Der Kulturpessimismus ist für uns ein zentraler Aspekt, dem wir immer wieder auch in der Kunst begegnen.

Haben Sie Beispiele?

Interessant ist für uns beispielsweise der Erfolg von Anne Imhofs Arbeiten. Sie gilt zurzeit als die Speerspitze des deutschen zeitgenössischen Kunstverständnisses. Die Arbeiten wurden fast ausschließlich positiv aufgenommen, auch weil sie sich eindeutig aus einem klassischen deutschen Kunstkanon ableiten lassen. Benjamin Buchloh beschreibt, in Bezug auf ihre Arbeit Faust im deutschen Pavillon in Venedig, eine Linearität von Wagner über Beuys zu Imhof. Das hat sich auch schon in ihrer Oper Angst im Hamburger Bahnhof deutlich gezeigt. Eine dichotome Ikonografie aus romantischer Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Widerständigkeit versus eine gescheiterte Moderne, in der man gleichzeitig gefangen und von ihr bedroht ist. Das ist eine für den Kulturpessimismus typische Mischung aus Carl Schmitt und Jean-Jacques Rousseau, in der sich ein geschlossenes Weltbild durch ein Gesamtkunstwerk ausdrückt. Es geht uns hier jedoch nicht um eine Intentionskritik, sondern um eine Rezeptionskritik.

Wie genau gestaltet sich die Arbeit Ihres Forums?

Wir sind mit unserer Webseite gerade online gegangen. Hier wollen wir Interviews, Ausstellungskritiken und Beiträge publizieren, die die Verantwortung von Kunst für die Gesellschaft in den Blick nehmen. Wir werden einen Kunstpreis betreuen und planen Tagungen und Ausstellungen. Wir haben das Glück, mit der Amadeu-Antonio-Stiftung zusammenzuarbeiten, die sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus und Antisemitismus engagiert und für Demokratie eintritt. Auf deren Netzwerke und Expertisen können wir zurückgreifen.

Die AfD steigt in die Kulturpolitik ein und mischt in den Parlamenten und Ausschüssen mit. Was ist das Gegenmittel?

Diese Partei bedient sich sehr geschickt der Mittel der parlamentarischen Demokratie – um die Demokratie zu destabilisieren. Die Kulturpolitik ist für die AfD keine Nebensächlichkeit, sondern sie ist für sie zentral. Die AfD verfolgt offen neurechte, nationalistische und völkische Ziele, für die die aggressive Ablehnung des »Anderen « und der Dreisatz aus Kultur, Identität und Volk maßgeblich sind. Es ist wichtig, dass man nicht aus Verständnis für die »Besorgtheit« mancher Bürgerinnen und Bürger in die Fallen der AfD-Demagogie tappt und ihr die Arbeit abnimmt. Man muss die eigenen Themen mit der eigenen Sprache vertreten. Dafür lohnt es, ebenfalls die etablierten Partizipationsmöglichkeiten der parlamentarischen Demokratie zu nutzen.

Warum ist die Kultur so wichtig für die AfD?

Die AfD definiert in ihren Programmen die Kultur als Kampffeld für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Neben der »deutschen Hochkultur« wird eine »politisch unkorrekte« Kunst proklamiert. Das geht für sie natürlich nur so lange, wie sie sich gegen den Staat und den politischen Gegner artikuliert, also sich nicht gegen die AfD selbst richtet. Um sich dagegen zu wehren, muss man an der Demokratie und ihren Prinzipien festhalten. Die AfD ist übrigens keine Bedrohung von außen, sondern ihre Wähler und Argumentationen findet man natürlich auch innerhalb der Kunst.

Wo zum Beispiel?

Es gibt im Spektrum linker Künstler etablierte Weltbilder, die eindeutige Schnittmengen mit neurechten Ideologieelementen aufweisen. Andererseits werden auch linke Denkerinnen wie Chantal Mouffe ...

... die als Politikwissenschaftlerin unter anderem das Erstarken des Rechtspopulismus in Europa erforscht ...

... in neurechten Publikationen zitiert und angeeignet – das ist das Problem mit dem Populismus. Solche Querfrontbildungen sehen wir schon seit Jahren in europäischen Parlamenten. In Kunst und Kultur haben sich einige bereits sehr klar im ideologischen Umfeld der AfD positioniert. Zum Beispiel Uwe Tellkamp oder Marc Jongen, der Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe lehrte und als AfDPolitiker Manifeste für die Bewahrung »deutscher Nationalkultur « verfasst. Und wenn jemand wie Baselitz über »die angepassten Medien« schimpft, oder die hiesige Demokratie »undemokratisch« nennt, dann ist das genau diese Art von kalkulierter Provokation, die man von AfD und Co kennt. Zentral ist aber, dass diese antiliberalen Akteure eine unnötig hohe Aufmerksamkeit bekommen – auch im Kunstbetrieb. Wir denken, dass man antiliberalen Kräften nicht Räume zur Verfügung stellen muss, um sich seiner eigenen Liberalität zu versichern. Ein Bedürfnis, mit Rechten zu reden – diese Idee von Appeasement – stärkt und bedient letztlich die neurechten Ideologien.

Im Sommer trennte sich die Leipziger Galerie Kleindienst von dem Maler Axel Krause, der in den sozialen Netzwerken eine Art Doppelleben als verschwörungstheoretischer Troll führte. Daraus ergab sich eine Zensurdebatte. Warum?

Der gesamte Vorgang zeigt, dass die Meinungsfreiheit – und auch die Kunstfreiheit – vollends gewährleistet war und ist. Die Verschiebung der Debatte in den Bereich einer Grundsatz- Zensurdebatte folgt einem Mechanismus, der in solchen Zusammenhängen immer wieder greift. Die Bewegung, solche Vorkommnisse populistisch auszuschlachten und das Problem einfach auf ein anderes Feld, nämlich wie hier auf Meinungsfreiheit oder auf Flüchtlingspolitik oder auf Medienbashing, zu verlagern, kommt ja ständig vor – da darf man einfach nicht mitmachen und muss dagegenhalten.

Interview: Kito Nedo (art 11/2018)
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