Bisher hat noch jede Veränderung moderner Gesellschaften Gegenbewegungen hervorgerufen. Im Zeichen der Angst vor Kultur- und Identitätsverlust wird ein „Kulturkampf“ ausgerufen, der die Abwertung und Abwehr Anderer legitimiert. Dieser Kampfmodus lebt von Selbstviktimisierung und einer fantasierten Bedrohungslage. Er geht mit einer Projektion auf eine angeblich ungebrochene Identität einher, die sich an tradierten und hierarchisch strukturierten Gesellschaften und Rollenbildern orientiert. Dies zeigt sich in einer erhöhten Sichtbarkeit von völkischer Folklore und Esoterik bei gleichzeitiger Reproduktion rechter Rhetorik. Es geht bei solchen Fixierungen um die Artikulation von Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die qua Selbstbeschreibung nicht verantwortlich für das vermeintliche Übel der Welt ist und sich selbst zum Opfer stilisiert. Aktuell zeigt sich diese Bewegung in den radikalen Protesten gegen die Corona-Massnahmen.
Interview mit Marina Weisband (Politikerin und Psychologin)